ROCKHARZ 2025 | Freitag, 04.07.2025 - Ballenstedt

Tag 3: Freitag, 04.07.2025

Seit dem Jahr 1993 hat sich am Fuße des nördlichsten Mittelgebirges der Republik ein Metal-Festival etabliert, dessen Bühnen anfangs auf LKW-Anhängern standen und etwa 100 Fans lockten, mittlerweile jedoch mit etwa 25.000 Besuchern zu den festen Größen im Festivalkalender der Metalheads zählt. Das Ganze findet seit 2009 auf dem Flugplatz Ballenstedt im Harz statt, der neben dem normalen Flugbetrieb in dieser Zeit auch das Abheben der Fans aufgrund harter Metal-Klänge ermöglicht.

Die beiden Bühnen Rock Stage und Dark Stage sind gleichwertig. Die Running-Order, in der es keine Zeitüberschneidungen der Shows gibt, ermöglicht es den Fans, tatsächlich jeden Auftritt sehen zu können, was bei anderen Festivals eher selten der Fall ist.

Neben dem amtlichen Line-Up bietet das Festival darüber hinaus eine Reihe netter Annehmlichkeiten, die das Erlebnis abrunden und entspannt genießen lassen, hier sei insbesondere der familiäre Charakter des Events genannt, dessen Organisatoren stets die Überschaubarkeit vor ein überbordendes Wachstum gestellt haben.

Der dritte Festivaltag bringt alles, was das Metallerherz begehrt: Sonne, deftiges Essen wie Raclette mit Bratkartoffeln oder die legendäre Pilzpfanne – und eine Klanglandschaft zwischen finsterem Gothic Doom, schamlosem Fun-Punk und epischem Power Metal.

SEASONS IN BLACK haben zu Beginn des dritten Festivaltags die Aufgabe, den Metalheads vor der Bühne den Knies aus den Augen zu blasen, was den Jungs aus Bayern vorzüglich gelingt. Mit „Apocalyptic Army“ eröffnen SEASONS IN BLACK ihren düsteren Melodic Death Metal-Reigen. Besonders „Swansong“ und „Seasons In Black“ entfalten live eine besondere Wucht. Sänger Dirk Schumacher growlt kraftvoll, das Publikum ist textsicher und dankbar für diesen stimmungsvollen Auftritt.

Nebenan betreten anschließend ARCTIS stilsicher die Bühne: Die Herren in Schwarz, Frontfrau Alva Sandström strahlend in Weiß – visuell ein Hingucker. Musikalisch bewegen sich ARCTIS zwischen Symphonic Metal und verspieltem Gothic-Einschlag. Das Publikum ist angetan und zu früher Stunde bereits hellwach und feierwütig.

DEFECTS bieten hämmernden aber melodischen Metalcore, der auch die letzten Schlafwandler vor der Bühne endgültig wachrüttelt. Selbst die Animation zum ersten Circlepit des Tages gelingt ohne Probleme, und während die Band alle Register ihres Könnens zieht, haben die Grabenschlampen mit anlandenden Crowd-Surfern bereits zu früher Stunde alle Hände voll zu tun.

Dass Bad Oeynhausen mehr als nur seine berühmte Thermalquelle zu bieten hat, beweisen HARPYIE auf eindrucksvolle Weise. Neben Vogelmaske und appetitlichem Folk-Rock mit metallischen Einflüssen können die Mannen aus dem ostwestfälischen Kurort ebenfalls mit starker Show und sympathischem Auftreten punkten.

Kurz darauf übernehmen die französischen Melo-Death-Spezialisten von AEPHANEMER die Mikrofone und liefern eine energiegeladene Show zwischen Death- und Power-Metal. Vor allem Frontlady Marion Bascoul überzeugt mit fantastischem Gesang der Songs wie „Path of the Wolf“ oder „Back Again“ in gediegener Form veredelt. Daneben begeistert „The Sovereign“ mit epischer Struktur und macht Lust auf die im Herbst anstehende Tour der Band.

Die aus Thüringen stammenden Death-Metaller von DESERTED FEAR haben zwischen Autogrammstunde und Hochzeit noch gerade Zeit, das Infield aufzumischen. Der Sound ist roh, hart und direkt, der Abriss aber ist echt: Circle Pits, Gebrüll und bangende Mähnen wohin man schaut.

VADER hauen im Anschluss in dieselbe Genre-Kerbe und zelebrieren mit polnischer Gelassenheit ein Set in bester Tonqualität, das die Fans in Staunen versetzt. Hier gibt es keinen Klangbrei, wie es in diesem Segment des Öfteren vorkommt, sondern glasklare Soundkaskaden, die die Herzen der Fans höherschlagen lassen. Ein starker Auftritt!

Schwedische Melancholie, getragen von atmosphärischem Doom: DRACONIAN entführen das Publikum mit „Elysian Night“, „Deadlight“, oder „The Sethian“ in eine düstere Klangwelt. Der Wechsel zwischen Growls und klaren weiblichen Vocals funktioniert live hervorragend – ein Konzert zum Versinken, das endlich auf dem ROCKHARZ stattfinden kann, denn im vergangenen Jahr fiel die Show der Festivalunterbrechung aufgrund eines heranziehenden Gewitters zum Opfer.

ANY GIVEN DAY aus Gelsenkirchen übernehmen danach die Kontrolle über das Infield. Und während Shouter Dennis Diehl zwischen Growls und cleanem Gesang perfekt wechselt, hämmert die Band mit Vehemenz auf ihre Instrumente ein, die teils kreischend, teils melodisch ihren Dienst verrichten.

Danach wird abkassiert. Ein nackter Mann in Polizeijacke tritt auf die Bühne und verkündet: „Guten Tag, hier ist die Pimmelpolizei.“ Willkommen bei DIE KASSIERER. Lachsalven oder schüttelnde Köpfe? Fifty-fifty. Songs wie: „Besoffen sein“, „Wir wollen Bier“, „Mein schöner Hodensack“ oder „Großes Glied“ loten die Tiefen des schlechten Geschmacks aus, wobei der derbe Humor vom Publikum durchaus gefeiert wird. Aufblasbare Penisse fliegen durch die Menge – absurder, schamloser, provokanter geht’s kaum.

OVERKILL bieten kurz darauf auf der benachbarten Bühne Thrash-Metal alter Schule und somit den einen willkommenen Kontrast zu den KASSIERERN. Bobby Blitz ist in Topform und feuert pausenlos Anfeuerungsrufe in die Menge, die sich im Schein der nun schon tiefer stehenden Sonne zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt.

Weiter geht es mit GLORYHAMMER. Wie aus einer anderen Dimensin surfen aufblasbare Dinos über die Crowd. GLORYHAMMER liefern eine bunte Fantasyshow voller Ironie und Pomp. „The Land of Unicorns“ oder „Universe on Fire“. Zum Schluss gibt’s mit „The Unicorn Invasion of Dundee“ eine epische Hymne – Fantasy-Overkill vom Feinsten!

Mit CRADLE OF FILTH folgt dann das absolute Kontrastprogramm. Die Mannen um Dani Filth huldigen mehr den düsteren Klängen und zelebrieren ihren schwarzmetallischen Horror mit „The Forest Whispers My Name“ und dem ikonischen „White Hellebore“. Dani Filths Stimme ist höllisch scharf, das Bühnenbild dramatisch. Extreme, wie man sie sich wünscht.

MONO INC. haben es im Anschluss nicht schwer, das Stimmungsbarometer noch etwas höher ausschlagen zu lassen. Frontmann Martin Engler betont, dass das ROCKHARZ das Lieblingsfestival der Band ist, die hier im Harz nicht von ungefähr zu den Stammgästen zählt. Pyro-Salven, die in stetiger Abfolge die Bühne erleuchten, geben der Show den perfekten, optischen Anstrich, die von der Fangemeinde frenetisch aufgenommen werden.

Wenn POWERWOLF zur Heavy-Metal-Messe rufen, bleibt kein Wolf in seinem Bau. Dichtes Gedränge vor der Bühne, als Attila Dorn die Szene betritt und dem Wolfsrudel die Leviten liest. Währenddessen überbieten sich die Brüder Greywolf an den Gitarren im Grimassen schneiden, im Hintergrund turnt Falk Maria Schlegel an seinem Keyboard wie ein Derwish herum. Dass die Messe bisweilen eher einer Orgie (siehe: "Stoßgebet") gleicht, hat gute Tradition bei POWERWOLF, die mit „Amen And Attack“, „Armata Strigoi“ oder „Werewolves of Armenia“ den Sack endgültig zumachen. Eine Mega-Show.

Zu guter Letzt kommen SÓLSTAFIR weit nach Mitternacht zum würdigen Ausklang des dritten Tages auf die Bühne. Die Isländer schaffen mit ihrem atmosphärischen Post-Metal einen einzigartigen Ruhepol. „Fjara“ und „Ötta“ treiben wie ein glühender Lavastrom über die Zuhörer hinweg – hypnotisch, kraftvoll und emotional. Aðalbjörn Tryggvason sorgt mit dem Einsatz eines Bogens, den er wohl APOCALYPTICA abgeschwatzt hat, für Gänsehautmomente. Magisch. Ob nackte Provokation, Fantasy-Metal oder finstere Eleganz – der Freitag liefert Abwechslung, Power und Festivalgefühl pur.

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