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Interview mit The Beauty Of Gemina (13.03.2013)

The Beauty Of Gemina

Es ist nicht unbedingt eine Seltenheit, wenn eine Band ihre Songs in ein Akustikgewand hüllt und neu aufnimmt. Selten aber war das Ergebnis so gut wie im Falle der Schweizer THE BEAUTY OF GEMINA. Ihre Songs, die ansonsten im Spannungsfeld von Dark Wave und Gothic Rock liegen, bekommen in der Unplugged-Variante auf dem album "The Myrrh Sessions" einen ganz neuen Glanz, der die Songs in einem bezaubernden Licht erstrahlen lässt. Wir kontaktierten den platinblonden Sänger Michael Sele, der sich ausführlich zu diesem Unterfangen äußerte.

Hallo Michael. Herzlichen Glückwunsch zunächst einmal zu "The Myrrh Sessions", das euch von einer ganz neuen Seite zeigt. Wie zufrieden bist du selber mit dem Ergebnis? Entspricht es dem, was du dir vorgestellt hast, als ihr das Projekt angegangen seid?

Als wir das musikalische Abenteuer Akustikalbum vor knapp einem Jahr begonnen haben, hatte ich schon eine gewisse Vision wie ich es angehen wollte oder wie es am Schluss klingen sollte. Während des Erarbeitungsprozesses haben sich dann auch gewisse Vorstellungen konkretisiert, vieles ist aber sehr spontan und auch im kreativen Austausch entstanden und so hat sich aus anfänglich ersten Songskizzen ein ganzes full length Album entwickelt und wir waren am Schluss sogar fast nicht mehr zu bremsen. Das Ergebnis macht uns stolz und wir sind alle sehr glücklich.

Wann und wie seid ihr auf die Idee gekommen, eure Songs in ein solches Gewand zu packen?

Die Idee eines Akustikalbums ist ja grundsätzlich nichts Besonderes, sehr viele Bands machen das. Als die Band anlässlich der Plattentaufe zum Album "At The End Of The Sea" im Jahr 2010 einen kurzen Akustikshowcase vor geladenen Gästen spielte und dieser Auftritt sehr viel Spass machte und große Resonanz fand,  war klar, wir möchten irgendwann ein Akustikalbum veröffentlichen, aber es sollte etwas Besonderes werden, daher haben wir uns bewusst Zeit gelassen und das Thema reifen lassen.  Es ging uns von Anfang an darum, die eigenen Songs komplett neu zu interpretieren und auch zu instrumentieren. So sollte auch das Klavier eine ganz neue und wichtige Rolle bei der Umsetzung spielen. Das alles war die ganze Zeit mein persönlicher Antrieb. Als dann im letzten Jahr einerseits eine Tour Anfrage von DIARY OF DREAMS auf dem Tisch lag, die Band auf deren Akustiktour durch Deutschland zu begleiten und zusätzlich eine Einladung für ein renommiertes Klavierfestival in der Schweiz bei uns eintraf, wo wir akustisch auftreten sollten, gab es kein Halten mehr. Wir sagten zu, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt noch keinen Ton umgesetzt hatten. Umso stärker hat das uns auch unter Druck gesetzt. Ich persönlich habe solche Herausforderungen gerne, das spornt mich zusätzlich an.

Kannst du sagen, wie lange ihr an "The Myrrh Sessions" von der ersten Idee bis zum fertigen Album gearbeitet habt?

Das waren insgesamt rund sechs Monate.

Wie entsteht die Akustikversion eines tBoG-Songs und wie aufwändig ist das? Ist das bei euch eher aus dem gemeinsamen Jammen und Proben entstanden oder geht man bei so etwas planmäßiger vor?

The Beauty Of GeminaWir hatten uns im letzten Sommer auf der Bühne eines alten Theaters eingerichtet mit Klavier, unzähligen Akustikgitarren, Schlagzeug und Bass und fingen an, diverse tBoG Songs anzuspielen und akustisch umzusetzen. Gerade am Anfang haben wir sehr viel experimentiert und auch improvisiert. Ein paar konkretere Ideen hatte ich auch schon für mich im Vorfeld vorbereitet und sie der Band vorgespielt. Glücklicherweise hatten wir schon am ersten Tag die ersten vielversprechenden Erfolgserlebnisse und wussten, dass nun alles möglich war.

Was ist der wichtigste Aspekt, auf den man achten muss, wenn man einen Song so konvertieren will?

Die Stimme und die Art wie ich die Songs neu singen und interpretieren würde, waren natürlich jeweils sehr maßgebend für die grundlegende Ausrichtung.  Hier war es mir auch wichtig, mich auch mit den Texten der Lieder neu auseinanderzusetzen. So habe ich gewisse Schlüsselstellen bewusst neu gewichtet. Bei "Suicide Landscape" zum Beispiel endet die Originalversion mit dem eher zuversichtlichen "I’m still here…", in der Akustikversion endet der Song mit der Zeile "Is dancing in my head…", welche im Kontext des gesamten Textes eine Metapher für den allgegenwärtigen Selbstmordgedanken darstellt. Das gibt dem Song eine andere Aussage. Das hat dann natürlich auch Einfluss auf die gesamte Dramaturgie des Arrangements genommen. In diesem Bereich haben wir wirklich sehr viele Details und Spannungsmomente eingebaut.

Wie ist die Auswahl der Songs für das Album vonstattengegangen? Habt ihr eine Liste gemacht, welche Songs ihr umarrangieren wollt? Oder habt ihr eher rumprobiert, bei welchem Song das funktionieren könnte und das dann weiter ausgearbeitet?

Bei mittlerweile rund  50 veröffentlichten tBoG Songs hatten wir wirklich ein bisschen die Qual der Wahl. Da aber das Ziel von Anfang an war, die Stücke möglichst neu erklingen zu lassen, also nicht nur einfach akustisch zu spielen, sondern sie auch in einem neuen, eigenständigen Gewand zu präsentieren, gab es ein paar wegweisende Kriterien für die Auswahl. Grundsätzlich haben uns jene Songs, welche im Original schon eher reduzierter oder akustischer aufgenommen und produziert worden sind, weniger interessiert. So waren es vor allem Songs, welche im Original mit viel treibender Elektronik und stampfenden Beats daher kommen, die uns herausgefordert haben, denen wir ein komplett neues musikalisches Gewand geben wollten.

Ein bisschen überraschend fand ich zum Beispiel, dass ihr euch auch "The Lonesome Death Of A Goth DJ" vorgenommen habt. Aber auch wenn ich es nicht erwartet habe, ist das Experiment doch absolut geglückt. War der Song eine besondere Herausforderung?

Das ist ein gutes Beispiel. Hier haben wir sicher die Grenzen am stärksten ausgelotet und somit werden die Nerven unserer treuen Fans sicherlich auch etwas strapaziert. Ich könnte mir vorstellen, dass die Version schon auch polarisieren wird. Aber wer nichts wagt, der ja bekanntlich auch nichts gewinnt. Bei den Akustikkonzerten ist der Song aber ein echtes Highlight und das Publikum reagiert wirklich euphorisch.

Gab es andere Songs, bei denen es besonders schwierig war, sie neu umzusetzen? Und umgekehrt, wo war es einfacher?

Man kann das gar nicht generell beantworten. Es gab aber etliche Hindernisse zu überwinden. Vieles, was jetzt spielerisch leicht und auch mit einem gewissen Selbstverständnis daher kommt, musste zuerst unter einigen Anstrengungen kreiert, erprobt und am Ende in viel Kleinarbeit arrangiert werden. Ideen wurde immer wieder auch verworfen, weil wir den Schlüssel für die Umsetzung einfach nicht finden konnten.

Mein Favorit auf dem Album ist "Dark Rain". Der Rhythmus und die Geschwindigkeit sind schon fast fröhlich beschwingt, obwohl der Song noch immer so melancholisch ist, wie zuvor, zudem ist die Gitarrenarbeit betörend schön. Ist der Song auf für dich etwas Besonderes?

The Beauty Of GeminaDas ist jetzt hoffentlich kein Zufall, aber "Dark Rain" war der allererste Song den wir gemacht hatten. Wir hatten so viel Spass mit der Umsetzung, dass er wie der Antrieb auch für alles andere war. Wir wussten, die ganze Arbeit würde sich nur schon wegen diesem Song lohnen. Wir haben übrigens jetzt gerade einen Video dazu abgedreht, welcher in Kürze veröffentlicht wird.

Welche der neuen Versionen findest du selber besonders gelungen und warum?

Das ist schwierig zu sagen. Es hat für mich sehr viele Highlights auf dem Album. "Kingdoms of Cancer" ist aber sicher einer meiner Favoriten. Die ganzen Streicherarrangements haben eine unglaubliche Dichte und eine wundersame, eigenwillige Tiefe. Sie geben dem Song diese Intensität. Im Studio ließ ich das Streichertrio einfach improvisieren, ich gab keine Noten vor, auch keine bestimmten Regeln. Aus den in langen Sessions entstandenen Soundcollagen habe ich dann die Arrangements zusammengesetzt. Das Resultat macht mich sehr glücklich.

Und gibt es auch welche, mit denen du nur zufrieden bist, aber die dich nicht unbedingt vom Hocker hauen?

Nein, dann hätte es der Song nicht gar nicht auf das Album geschafft. Mit einer Spielzeit von 64 Minuten, wäre es ja auch gar kein Problem gewesen, das Album zu kürzen. Wir haben übrigens auch noch zwei, drei Songs weggelassen, weil sie mich am Schluss nicht 100% überzeugt hatten. Ich bin diesbezüglich sehr selbstkritisch und versuche, musikalisch eine hohe Qualität zu garantieren.

"Listening Wind" ist ein komplett neuer Song. Wird es davon auch irgendwann eine elektronischere Version geben?

Nein, live spiele ich den Song sogar alleine mit Akustikgitarre. Es ist übrigens ein kleines Debüt auf dem Album, es ist nämlich die erste Coverversion, welche ich veröffentlicht habe. Der Song stammt im Original von den TALKING HEADS. Geschrieben wurde der Song von David Byrne und Brian Eno.

Ich habe euch auf der Akustik-Tour mit DIARY OF DREAMS in Bochum gesehen. Ich fand euren Auftritt großartig, aber mit 30 Minuten viel zu kurz. Wart ihr selber ein bisschen enttäuscht darüber, dass ihr nur so wenig Zeit hattet?

Es war sicher kurz, doch am Schluss wollten das Publikum noch mehr und das ist das Beste was einer "Vorgruppe" eigentlich passieren kann. Es gab sogar regelmäßig Standing Ovations nach unseren Auftritten und das gab uns natürlich für die anstehenden Studioaufnahmen eine zusätzliche Motivation und Bestätigung.

Auf der kommenden Tour spielt ihr in Deutschland nur an drei Terminen die Akustikshow. Warum sind es nur diese drei?

The Beauty Of GeminaDas hat ganz praktische Gründe. Weil leider die ganze Planung extrem kurzfristig war, waren einfach nicht mehr Daten zu realisieren, da die meisten Clubs mehr als ein halbes Jahr im Voraus schon gebucht sind.

In Krefeld steht am 19.04. ein "normales" Konzert an. Nach der Bochum-Show letztes Jahr könnte ich mir vorstellen, dass viele Leute hier in Nordrhein-Westfalen gerne auch eine längere Akustikshow sehen würden. Könnt ihr den Leuten hier da noch ein bisschen Hoffnung machen, dass sie auch nochmal in den Genuss kommen oder bleiben da nur Frankfurt oder Hannover als Alternativen?

Das ist eine gute Frage und ist im Moment sicher auch für uns noch etwas, was wir für die Zukunft definieren müssen. Wie werden wir auftreten, akustisch, als volle Rockshow oder sogar eine Mischung von beiden? Die Variabilität ist einerseits sehr spannend, doch müssen wir jeweils genau kommunizieren. Ich denke aber gerade für einen Teil der Fans, welcher uns an vielen Konzerten nachreist, ist es auch ein gewisser zusätzlicher Anreiz oder Überraschungsfaktor, dass wir nicht immer ganz genau gleich daher kommen.

Arbeitet ihr schon an neuen Songs für ein neues Album?

Ja, das ist bei mir immer so. Bevor jeweils ein Album veröffentlicht wird, beginne ich bereits an neuen Ideen. Psychologisch ist das vielleicht so erklärbar, dass ein Album wie ein Art "Baby" ist. Ist es geboren und auf der Welt, muss man es lernen loszulassen, auch ist es sehr verletzbar, jeder kann dann darüber urteilen, es entweder ganz ignorieren, es niederschreiben oder es, was natürlich immer das Schönste ist, mit Komplimenten überhäufen. Vielleicht ist das darum bei mir so, dass ich bereits an einem neuen arbeite, ich dann auch einen guten Abstand zum Geschafften gewinne und dadurch nicht so angreifbar bin.

Denkst du, dass die Arbeit an "The Myrrh Sessions" auch Einfluss auf eure zukünftige Ausrichtung haben wird? Zumindest habt ihr ja bewiesen, dass euch auch dieses Gewand ausgesprochen gut steht. Oder bleibt das auch in Zukunft strikt getrennt?

Das wird auf jeden Fall Einfluss haben. Alles andere wäre auch falsch. Die Arbeit an "The Myrrh Sessions" hat so vieles möglich gemacht, ich denke auch, dass wir uns musikalisch genau in die richtige Richtung weiterentwickelt haben.

Letzte Frage: was sind deine fünf liebsten "Unplugged"-Songs?

NIRVANA "All Apologies",
JOHNNY CASH "Hurt"
SINÉAD O'CONNOR "Sacrificed"
DAVID BOWIE "Amsterdam"
NICK CAVE "Mercy Seat"

Andreas Schulz (Info)
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