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Patrick Wolf: Crying The Neck (Review)

Artist:

Patrick Wolf

Patrick Wolf: Crying The Neck
Album:

Crying The Neck

Medium: CD/Do-LP/farbig
Stil:

Art Pop, Indie Folk, Singer/Songwriter

Label: Apport
Spieldauer: 52:23
Erschienen: 13.06.2025
Website: [Link]

Man sollte einem PATRICK WOLF die Krone des Art Pops aufsetzen, denn was der britische Musiker seit mehr als 20 Jahren an (sporadischen) Alben veröffentlicht, erklimmt häufig den Thron dieses Musik-Genres, selbst wenn er 2011 mit „Lupercalia“ auch mal gehörig neben der Spur lag und in den musikalischen Höllenschlund abstürzte. Doch das war die absolute Ausnahme.

Leider scheint Wolf, der singende und komponierende Multiinstrumentalist, zudem immer wieder aus persönlichen Gründen (Alkoholsucht und Depressionen) längere Zwangspausen einzulegen.
Wen verwundert's, wenn man genauer bei seinen extrem emotional ausgerichteten Alben hinhört?


Auf seinem nunmehr siebten Album „Crying The Neck“ ist die tiefe Emotionalität wie das kompositorische Geschick und die instrumentale Perfektion erneut der allumfassende Fixpunkt.
Dieses Mal schwingt Wolf (der übrigens während seiner 'Abstinenz' trotzdem musikalisch aktiv war und in der Band von PATTI SMITH Bratsche spielte) aber – wenn man beim LP-Cover bleibt – eine ganz besondere Sichel zwischen folkloristischer Tradition, der totalen Hinwendung zur Natürlichkeit seiner Heimat Kent, poetischen Texten, wunderschönen Melodien und tiefer Gefühlsseligkeit, die natürlich oftmals melancholisch ihre eigenen Bahnen zieht. Doch auch die zauberhaften Melodien bleiben nicht aus, wobei das gesamte Album deutlich nach einer Rückkehr in die frühen Zeiten klingt, als Wolf mit seinem 2003er-Debüt „Lycanthropie“ sowie dem 2005er-Nachfolger „Wind In The Wires“ verblüfft-begeisterte Reaktionen hervorrief.


Übrigens gilt der Begriff 'Abstinenz' in doppelter Weise.
Denn PATRICK WOLF quälte ein Alkoholproblem, das ihm die Kreativität stahl und weswegen er Angefangenes einfach nicht zu Ende bringen konnte. Erst nachdem er den Alkohol aufgab, sich dabei helfen ließ und standhaft blieb, kehrte die verlorene Kreativität wieder zurück – und wie beeindruckend sie nunmehr klingt, hören wir auf „Crying The Neck“.


Wolf versteht sich selber als ein 'Folklorist', der seine Heimat Kent aufgrund alter, längst verschollener Bücher und Broschüren sowie durch intensive Museumsbesuche erschließt und zur Grundlage seines aktuellen Albums macht.
Hierbei versucht er Kents Heimatgeschichte, die immer mehr in Vergessenheit zu geraten scheint, auf musikalische und poetische Weise wiederzubeleben. Da ist es natürlich selbstverständlich, dass auch besondere (traditionelle) Instrumente, wie Akkordeon, Appalachian Dulcimer, Bariton-Ukulele, Kantale und Atari oder Hackbrett sowie eine fünfsaitige Bratsche, zum Einsatz kommen.



Unüberhörbar blickt das Album auf „Wind In The Wires“, das Wolf immer schon als „nautisch basiert und voller Natur und Folklore“ verstand, zurück.
Demgegenüber betont er allerdings, dass man ihn auf keinen Fall als Nostalgiker begreifen soll, was er sogar in solchen Textzeilen wie „Starre zu lange in die Vergangenheit, dann wirst du darin verschwinden“ zum Ausdruck bringt.
Diese Absicht nimmt man ihm am Ende des Albums, das mit einer außergewöhnlichen letzten (fast undefinierbaren und zugleich unbenannten) LP-Seite endet, unumwunden ab.


Mit „Dies Irae“ (Tag des Zorns) taucht Wolf sogar tief in die lateinische Requiem-Messe ein, bei der die Streicher-Arrangements auf einem mittelalterlichen gregorianischen Gesang aufbauen. Einer der bedrückendsten und zugleich schönsten Songs des Albums.
Wolf sieht das chorale Stück als Abschied vom Lebenden, in dem man schmerzlich wahrnimmt, „dass man einen geliebten Menschen verlieren wird, und man als eine mutige – fast rebellische – Entscheidung die verbleibende Zeit nutzt, um die Liebe und Freude zueinander noch etwa mehr zu vertiefen“. Laut dem britischen Musiker geht die persönliche Ebene sogar noch intensiver auf den Tod seiner Mutter ein: „Ich habe den Text als imaginäres letztes Gespräch mit meiner Mutter in ihrem Atelier und draußen im Garten bei Einbruch der Dunkelheit fertiggestellt. In den letzten Tagen des Mixens kam meine Schwester Jo Apps dazu, um die Background-Vocals zu singen. In gewisser Weise bedeutete das, dass wir beide gemeinsam mit unserer Mutter in der Küche einen letzten Tanz tanzen konnten.“
Aus diesem Grunde entschied sich Wolf auch, das gesamte Album seiner 2018 mit 69 Jahren verstorbenen Mutter zu widmen.


Tief beeindruckend sind außerdem die zusätzlichen Gesangsbeiträge von ZOLA JESUS („Limbo“) und SERAFINA STEER („Lu Ghnasa“). Genauso überzeugt der Vinyl-Sound und die Gestaltung der Doppel-LP auf farbigem Vinyl im Klappcover plus bedruckter Innenhüllen mit vier ganzseitigen Fotos und einem Extra-Textblatt.

Und PATRICK WOLF wäre wohl nicht PATRICK WOLF, wenn er sich für das Ende der Doppel-LP nicht etwas ganz Spezielles hätte einfallen lassen. Liest man die Titel aller Songs auf der Rückseite des LP-Covers, dann fällt auf, dass zur letzten LP-Seite die Angaben dazu fehlen, sodass vermutlich die letzte Seite wohl leer bleibt.
Man sollte sich davon jedoch nicht täuschen lassen, sondern diese Seite doch auflegen und anspielen. Denn plötzlich tauchen seltsame, elektronisch verfremdete Klänge auf, die wie ein musikalisches Klang-Experiment in bester Stereo-Qualität daherkommen. Man fühlt sich tatsächlich an die atmosphärischen Klangwelten von RADIOHEADs „Amnesiac“ erinnert. Leider ist schon nach knapp 5 Minuten das Album dann tatsächlich endgültig vorbei.


Mein Gott! Wie dieser Wolf nach so vielen Jahren doch wieder beißen kann!

Und alle, die es noch immer nicht wissen: PATRICK WOLF ist ein ganz großer Meister seines Fachs, der mit diesem Album im ganz großen Stil endlich wieder zurück ist.
Crying The Neck“ wurde von dem ehemals an Alkoholsucht leidenden Briten und seinen Begleitern nach Wolfs zehnjähriger Schreibblockade völlig nüchtern eingespielt – und ist zugleich für den Hörer absolut berauschend.


FAZIT: 13 lange Jahre dauerte es also, bis sich PATRICK WOLF nach einer Schreibblockade und persönlichen Problemen wieder zurückmeldete. Doch egal, wie lange man warten musste, nach diesem großteils von Trauer, Tod, Verfall und Verlust geprägtem „Crying The Neck“ der ehemaligen Indie-Pop-Ikone, die sich nun verstärkt der folkloristischen Musik seiner Heimatstadt Kent zuwendet, darf unumwunden festgestellt werden: Die Wartezeit hat sich gelohnt!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 44x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (19:58):
  • Reculver (6:11)
  • Limbo (feat. Zola Jesus) (4:21)
  • The Last Of England (4:09)
  • Jupiter (5:17)
  • Seite B (19:22):
  • On Your Side (2:28)
  • Oozlum (4:58)
  • Dies Irae (3:35)
  • The Curfew Bell (5:18)
  • Lu Ghnasa (feat. Serafina Steer) (3:03)
  • Seite C (13:03):
  • Song Of The Scythe (1:27)
  • Better Or Worse (3:19)
  • Hymn Of The Haar (4:35)
  • Foreland (3:42)
  • Seite D (4:36):
  • ????????

Besetzung:

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